Höchster Schnüffler un´ Maagucker e.V.

  

Spannender Erörterungstermin zur Erweiterung der Klärschlammverbrennungsanlage

Stempel


Am Dienstag, 30. Januar 2007, fand von 9.00 Uhr bis 16.30 Uhr der Erörterungstermin zur geplanten Erweiterung der Klärschlammverbrennungsanlage im Industriepark Höchst statt. Aufgrund der großen Zahl der Einwendungen war für die Erörterung ein größerer, aber durchaus gemütlicher Saal im Hause des Umweltamtes des RP Darmstadt in der Gutleutstraße 138 gewählt worden. Der Termin wurde von Frau Bartke vom RP ruhig und souverän geleitet. Auch den Vertretern der Infraserv, hier besonders zu nennen Herr Dr. Noichl, Herr Dr. Lau und Herr Dr. Werner, kann man ein freundliches Auftreten bescheinigen.

Doch inhaltlich ging es hart zur Sache. Im Prinzip wurde keiner der strittigen Punkte ausgeräumt, und für die Einwender, die durch Rechtsanwalt Thomas Rahner, der für den BUND Hessen (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Landesverband Hessen e.V.) zum Termin antrat, unterstützt wurden, gab es einige Überraschungen.

Anlage von Anfang an zu groß geplant

So wurde gleich zu Beginn durch den Vortrag von Dr. Werner, Infraserv, deutlich, dass die Klärschlammverbrennungsanlage ursprünglich zu groß konzipiert gewesen war für die tatsächlich anfallenden Mengen Klärschlamm. Die 1993 genehmigte Anlage besteht aus zwei Verbrennungsstraßen, und die Klärschlammmenge der damaligen Hoechst AG war zu groß für eine Straße, aber zu klein für beide Straßen, so dass eine der beiden Verbrennungsstraßen ständig abgefahren und dann wieder angefahren werden musste. Bei einer genehmigten Kapazität von 130.000 Tonnen fielen zuerst nur ca. 93.000 Tonnen Klärschlamm an. Da nach den damaligen Rechtsgrundlagen eine sogenannte Planrechtfertigung notwendig war, d.h. die Hoechst AG die Notwendigkeit zur Verbrennung von 130.000 Tonnen Klärschlamm nachweisen musste, hätte die Anlage in dieser Kapazität eigentlich damals nicht genehmigt werden dürfen. Hier hat sich die Behörde damals von der Hoechst AG über den Tisch ziehen lassen, dies wurde heute für uns deutlich, wobei es auch eine Rolle spielen mag, dass man bei Hoechst selber den eigentlichen Bedarf an Verbrennungskapazität ursprünglich falsch einschätzte, wobei es aber in jener Zeit immer eine Tendenz bei Hoechst gab, lieber unnötig hohe Kapazitäten zu beantragen als zu niedrige.

Emissionen steigen proportional zum verbrannten Input

Die Nichtausnutzung der vorhandenen Kapazität durch eigene Klärschlämme und der damit verbundene häufige Stillstand einer Verbrennungsstraße war aber jedenfalls auch für die Hoechst AG ein äußerst ungünstiger und ineffektiver Zustand, den man bei Hoechst bald dadurch verbesserte, dass man von außerhalb zusätzliche Klärschlämme zur Verbrennung akquirierte. So konnte man die vorhandene Verbrennungskapazität besser ausnutzen und durch die Verbrennung des fremden Klärschlamms ordentlich Geld verdienen. Einmal auf den Geschmack gekommen, wuchs die Menge des von außerhalb dazugeholten – gegen Gebühr versteht sich – Klärschlamms ständig an und erreichte bald die genehmigte Obergrenze von ursprünglich 130.000 Tonnen im Jahr. Da man aber mit der Anlage wesentlich mehr Klärschlamm verbrennen konnte, ohne etwas an ihr ändern zu müssen, wurde nichtöffentlich mehrmals die Genehmigung geändert bis zu einer erlaubten Kapazität von 190.000 Tonnen im Jahr. Dabei stiegen, wie im Erörterungstermin deutlich wurde, selbstverständlich auch die Emissionen an Luftschadstoffen an. Die von der Infraserv so genannten „spezifischen Emissionen“ schwanken um ca. 0,5 Kg pro Tonne verbrannten Klärschlamm. Dieser Wert ist über die Jahre hinweg einigermaßen konstant geblieben und es wurde gestern von Infraserv auch bestätigt, dass man auch für die Zukunft diesen Wert annehmen kann. Die Tonnenzahl verbrannten Klärschlamms hat sich aber über die Jahre von ursprünglich einmal 93.000 Tonnen auf 185.000 Tonnen im Jahre 2005 praktisch verdoppelt, so dass man auch von einer Verdoppelung der Fracht an Emissionen ausgehen muss. Dies wurde auch von den Vertretern der Infraserv nicht bestritten. Eine Vergrößerung der Kapazität auf nun 225.000 Tonnen im Jahr, wie von der Infraserv beantragt, würde also eine weitere entsprechende Erhöhung der Emissionen mit sich bringen. Darin sieht man jedoch bei Infraserv kein Problem und hatte auch diesmal wieder eine nichtöffentliche Genehmigung beantragt. Diesem Ansinnen folgte die Genehmigungsbehörde nur deshalb nicht, weil inzwischen EU-Richtlinien ergangen sind, die europaweit beachtet werden müssen und eine weitere nichtöffentliche Genehmigung dieser doch sehr deutlichen Kapazitätserhöhung nicht zulassen.

Genehmigung von 1993 mit viel Platz für zusätzliche Emissionen

Die Begründung von Infraserv und Behörde für die nichtöffentliche Erhöhung der Kapazitäten: Die Grenzwerte der ursprünglichen Genehmigung seien auch bei jeder Kapazitätserhöhung weiter eingehalten worden. Dieser Argumentation können wir als Umweltschützer allerdings nicht folgen. Hier zeigt sich in unseren Augen, dass die ursprünglichen Grenzwerte einfach viel zu hoch angesetzt waren. Es ist ein alter Streit zwischen uns und den Anlagenbetreibern, inwieweit ein Grenzwert über den tatsächlichen Emissionen einer Anlage liegen muss. Leider macht das Bundesimmissionsschutzgesetz seinem Namen oft alle Ehre und schützt die Immissionen, nicht die Anwohner. So werden dort häufig die Grenzwerte so angesetzt, dass die Anlagenbetreiber sie auf jeden Fall einhalten können, um im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen und Umweltschutz die wirtschaftlichen Interessen bloß nicht zu kurz kommen zu lassen. Wir fordern aber in den Fällen, in denen bekannt ist, dass niedrigere Emissionen technisch möglich sind und von der Anlage im Normalbetrieb auch locker erreicht werden, auch entsprechend niedrigere Grenzwerte. Ein Sicherheitsabstand zwischen Grenzwert und tatsächlicher Emission muss sein, damit die Anlage rechtssicher betrieben werden kann, und diesen Sicherheitsabstand haben wir in solchen Fällen den Betreibern auch immer zugestanden. Wir haben uns aber immer gegen überhöhte Sicherheitsabstände zwischen Genehmigung und tatsächlicher Emission gewehrt. In diesem Fall zeigt sich nun die Berechtigung unserer Argumentation. Die Behörde hat damals in ihrer Genehmigung von 1993 soviel „Luft“ zwischen genehmigtem Grenzwert und den tatsächlichen Emissionen gelassen, dass Infraserv die Emissionen zwischenzeitlich locker verdoppeln konnte und immer noch deutlichen Abstand zu den Grenzwerten hat. Hier offenbart sich ein Mangel der ursprünglichen Genehmigung. Völlig ignoriert wird dabei sowohl von Infraserv als auch von den Behörden, dass die Luftbelastungen in unserem Wohnumfeld jetzt schon zu hoch sind und z.B. im Falle der Stickoxide mit EU- Richtlinien für höchstzulässige Immissionen kollidieren. Obwohl z.B. im Luftreinhalteplan Rhein-Main generell eine Reduktion der Schadstoffbelastung als Ziel festgeschrieben ist, soll hier nun also eine weitere Belastung dazukommen dürfen – einfach weil man 1993 sehr hohe Grenzwerte für die Anlage genehmigt hat.

Wir werden außer den Belastungen im Ballungsraum natürlich auch den in den 15 Jahren seitdem verbesserten Stand der Technik als Argument ins Feld führen und nicht akzeptieren, dass, weil einmal eine schlechte Genehmigung erteilt wurde, nun 15 Jahre später wieder eine schlechte Genehmigung erteilt werden muss.

Rechtsanwalt Thomas Rahner machte für den BUND Hessen deutlich, dass der beantragte Grenzwert beim Staub (10mg pro Kubikmeter Abluft) um das fünffache über den real gemessenen Werten liegt und forderte einen Grenzwert von 4 mg pro Kubikmeter Abluft in die Genehmigung zu schreiben. Bei den anderen Stoffen werden wir analog vorgehen.

Ein ausführlich diskutierter Punkt auf dem Erörterungstermin waren dann die äußerst unangenehmen Gerüche, die in Sindlingen immer wieder auftreten. Hier war die Argumentation der Infraserv im wesentlichen, dass diese Gerüche wohl eher der biologischen Kläranlage, deren Kanälen und Nebeneinrichtungen entspringen würden, als der Klärschlammverbrennung. Da die Quelle der Gerüche aber immer noch nicht wirklich lokalisiert wurde, behalten wir auch die Klärschlammverbrennung und ihre Nebenanlagen als mögliche Ursache weiter im Auge und sehen in einer weiteren Vergrößerung der Kapazität auch die Gefahr einer zusätzlichen Geruchsbelastung.

Genehmigung von 1993 enthielt noch andere Hintertürchen

Die von Infraserv geplante Zufeuerung von Abfällen mit hohem Heizwert zu den Klärschlämmen sehen wir nicht, wie Infraserv dies tut, als Beitrag zum Umweltschutz (Infraserv: wir sparen dadurch Erdgas ein), sondern als zusätzliches Risiko. Wir hätten uns wesentlich früher mit diesem Genehmigungsverfahren befasst, wenn uns gleich bewusst geworden wäre, dass es hier um eine Abfallbeseitigungsanlage und eben nicht mehr um eine reine Klärschlammverbrennungsanlage geht. Die Überschrift, unter der das Verfahren veröffentlicht wurde, enthielt keinen Hinweis auf diesen Aspekt. Besonders pikant erscheint uns, dass die Zufeuerung anderer Abfälle ab 1997 erstmals beantragt und auch wieder nichtöffentlich genehmigt wurde. Ein entsprechender Passus in der ursprünglichen Genehmigung von 1993 ließ dies zwar, wie im Erörterungstermin deutlich wurde, zu, war aber gleichzeitig so geschickt formuliert, dass man eigentlich annehmen musste, dass die Verbrennung anderer Abfälle außer Klärschlamm ausdrücklich ausgeschlossen gewesen war. Auch hier zeigt sich wieder, wie weit man damals bei Hoechst schon gedacht hatte und wie viel Spielraum für zukünftige Veränderungen man sich in die Genehmigung hineinformulierte.

Eine Umweltverträglichkeitsprüfung der besonderen Art

Eine besonders interessante Überraschung erlebten wir dann, als es um unsere Forderung nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ging. Infraserv hatte in den öffentlich ausgelegten Unterlagen ausdrücklich dargelegt, dass man nicht der Meinung sei, bei dieser Anlage eine UVP machen zu müssen. Im Erörterungstermin erfuhren wir nun erstmals, dass der RP die Rechtsauffassung von BUND-Anwalt Thomas Rahner ausdrücklich teilt – eine größere Übereinstimmung zwischen Rechtsauffassung auf unserer Seite und auf Seiten des RP als wie sie an dieser Stelle deutlich wurde, haben wir selten erlebt – und deshalb die Infraserv ausdrücklich zur Erstellung einer UVP aufgefordert hatte. Die Lösung der Infraserv: ein 9-Seitenpapier mit allgemeinen Darstellungen zur Umweltrelevanz der Anlage aus den Antragsunterlagen wurde flugs zur UVP erhoben! Thomas Rahner erklärte, noch nie eine so liederliche UVP gesehen zu haben. Normalerweise habe eine UVP einen Umfang in Aktenordnerformat!

Da dieser Punkt aus den Antragsunterlagen nicht zu erkennen war, (wir waren davon ausgegangen, Infraserv weigere sich überhaupt, eine UVP zu machen), wurde uns von Frau Bartke eine Frist bis 20.2.2007 eingeräumt, zu diesem Sachverhalt unsere Einwendung entsprechend ergänzen. Thomas Rahner wird sich diesen Punkt vornehmen, denn hier könnte eine juristisch besonders gut fassbare Schwachstelle des Genehmigungsantrags zu finden sein.

Verbrennung der werkseigenen Klärschlämme wäre ja okay, aber...

Man könnte noch ausführlicher über den Erörterungstermin berichten, aber die genannten Punkte geben schon einen guten Eindruck über die Diskussion. Wer sich besonders für die Themen Lärm, Anlagensicherheit, Standort der Anlage oder andere Punkte unserer Einwendung interessiert, die in dieser Beschreibung des Termins vielleicht zu kurz gekommen sein mögen, kann sich gerne, am besten per mail, an die unten angegebene Kontaktadresse wenden.

Zum Abschluss möchten wir einen Gedanken noch einmal besonders betonen: Es ging uns nie darum, die Verbrennung von werkseigenen Klärschlämmen zu verhindern. Diese Klärschlammverbrennung ist Teil der Abwasserreinigung der ehemaligen Hoechst AG und gehört auch für uns unverzichtbar zum Industriepark Höchst. Wir haben das damalige Genehmigungsverfahren deshalb auch mit Wohlwollen begleitet. Wenn wir damals gewusst hätten, dass die Betreiber in dieser Anlage 15 Jahre später zusätzlich zum eigenen Klärschlamm noch mehr als genauso so viel Klärschlamm von außerhalb plus noch zusätzliche Abfälle zu verbrennen beabsichtigen, hätten wie die damalige Genehmigung niemals akzeptiert. Dass ein gut Teil dieser Ausweitung des Betriebszwecks der Anlage inzwischen bereits erfolgt und von den Behörden nichtöffentlich genehmigt worden ist, halten wir nach wie vor für einen Skandal.

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