Höchster Schnüffler un´ Maagucker e.V. |
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22.2.1993, Rosenmontag. Störfall im Werk Griesheim der damaligen Hoechst AG. 10 Tonnen Chemikalien werden freigesetzt, etwa eine Tonne davon wird mit dem Wind über den Main in das nur wenige hundert Meter entfernte Schwanheim getragen und gehen dort als gelbe, klebrige Masse nieder. Es dauert Monate, bis die betroffenen Gebiete vom "Gelben Regen" befreit sind. Der Asphalt von Straßen muss abgehobelt werden, Kleingärten werden komplett mit allen Bäumen und Hütten abgetragen, zahlreiche Hausfassaden, Fenster und Dächer müssen mühsamst gereinigt werden. Zahlreiche Autos müssen komplett neu lackiert werden. Diese damals von der Stadt Frankfurt veröffentlichte Karte zeigt das am stärksten kontaminierte Gebiet. Aber auch Gebiete außerhalb des sogenannten Kegels wurden - weniger stark - betroffen. | Störfall mit Folgen? | ||
(Graphik: BIPS, 2001) Diese vom Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) erstellte Graphik zeigt, dass die Menschen, die im Kern des besonders hoch kontaminierten Gebietes lebten, in den Tagen nach dem Störfall im Vergleich mit den weniger stark belasteten Menschen deutlich mehr unter Atembeschwerden litten. Die Karte ist gegenüber der obigen Abbildung seitlich leicht verschoben, der Kegel mit der stärksten Belastung entspricht exakt dem Gebiet mit den höchsten Atembeschwerden! |
Das regnete über Schwanheim nieder:
Normalerweise findet man diese Stoffe in der Umwelt nicht in Mengen von Kilogramm, sondern im Milligrammbereich!
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(Graphik: BIPS, 2001) Von den Menschen im am stärksten betroffenen Gebiet litten nach dem Störfall außerdem auffällig viele unter Kopfschmerzen. Wer sein kontaminiertes Auto selbst gereinigt hatte, trug dabei ein besonders hohes Risiko! |
Die Menschen haben diese Chemikalien in ihren Körper aufgenommen!Atmenbeschwerden, Kopfschmerzen oder Übelbeit, Erbrechen und Durchfall mögen sich harmlos anhören. Doch diese Krankheitssymptome sind ein Indiz dafür, dass die Chemikalien im Körper Wirkung entfalten konnten. Im Urin der Menschen aus dem betroffenen Gebiet wurden zum Teil sehr hohe Werte von Abbauprodukten des o-Nitroanisol, das man aufgrund der großen freigesetzten Menge zur "Leitsubstanz" erklärt hatte, gefunden, also niemand kann abstreiten, dass die Chemikalien damals ihren Weg in den Körper der Menschen fanden.
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(Graphik: BIPS, 2001) Das gleiche Bild bei Übelkeit, Erbrechen und Durchfall: im betroffenen Gebiet litt teilweise mehr als jeder Vierte unter diesen Symptomen! |
Ein Gutteil der Chemikalien ist krebserzeugend!Leider besteht der bei dem Störfall freigesetzte Chemikaliencocktail teilweise aus sehr exotischen Substanzen, die normalerweise in der Chemieindustrie kaum verwendet werden und nur unter den speziellen Bedingungen bei diesem Störfall entstanden. Deswegen liegen über die meisten dieser Stoffe keine Untersuchungen über Langzeitwirkung beim Menschen vor. Man weiß jedoch, dass viele dieser Stoffe sich im Tierversuch als krebserzeugend herausgestellt haben! Um beurteilen zu können, inwieweit sich die damalige Belastung, die ja glücklicherweise nur über einen begrenzten Zeitraum stattfand, auf die Schwanheimer Bevölkerung auswirkt, müßte man statistische Untersuchungen durchführen, was aber erst nach einem Zeitraum von 10 Jahren sinnvoll ist, denn Krebs hat eine sehr lange Latenzzeit, d.h. von der Kontamination durch Chemikalien bis zum Auftreten einer Krebserkrankung können mindestens 10 Jahre vergehen. Damals waren uns solche Untersuchungen versprochen worden, 14 Jahre sind inzwischen vergangen!
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24.1.2007: Seit fast 14 Jahren kämpfen wir nun dafür, dass durch ein Institut unseres Vertrauens dem Verdacht auf krebsauslösende Wirkung nachgegangen wird. Dabei geht es uns nicht darum, Panik zu verbreiten und Krankheiten, die natürlicherweise auftreten, unbedingt der Chemieindustrie in die Schuhe schieben zu wollen. Aber wir sind der Überzeugung, dass die Menschen in Schwanheim, die unter dem Störfall damals sehr gelitten haben und zum Teil heute noch Sorge um ihre Gesundheit tragen, ein Recht darauf haben, dass eine solche Untersuchung ein glaubwürdiges Ergebnis bringt, egal wie dieses nun ausfallen möge. Wir hatten schon bald nach dem Störfall ein Untersuchungsinstitut gefunden, dem wir dieses Vertrauen entgegenbringen, eben das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS). Dieses der Universität Bremen angeschlossene Institut genießt in Fachkreisen einen sehr guten Ruf, hat sich aber niemals einseitig auf die Seite der Industrie gestellt, während so manches andere Institut wundersamerweise immer nur Ergebnisse bringt, die die Industriemeinung bestätigen. Die damaligen Vertreter der Hoechst AG wehrten sich heftig dagegen, dass das BIPS diese Untersuchungen durchführt. Hoechst führte eine Riege von teuer bezahlten Toxikologen ins Feld, die sich alle Mühe gaben, den Störfall als so harmlos darzustellen, dass weitere Untersuchungen gar nicht nötig seien. Nach langem Streit wurde ein Expertenhearing mit internationalen Fachleuten einberufen, die sich einstimmig für das vom BIPS vorgelegte Untersuchungsdesign aussprachen. Der Auftrag wurde erteilt, das BIPS erstellte mittels Befragung der betroffenen Bevölkerung ein Expositionsregister, in dem festgehalten ist, wer damals in welcher Intensität mit Chemikalien in Berührung gekommen ist und wer danach welche Krankheitssymptome zeigte, also Chemikalien in den Körper aufgenommen hat. Diese Daten sollten dann nach 10 Jahren mit einem Krebsregister des Landes Hessen verglichen werden, von dem man damals annahm, dass es bis dahin fertig werden sollte. Skandal: Daten sollen vernichtet werden!Die Regierung des Landes Hessens hat aber leider ihre Hausaufgaben nicht gemacht und so gibt es in Hessen bis heute kein ausreichend vollzähliges Krebsregister. Das BIPS hat daraufhin Untersuchungsvorschläge vorgelegt, wie wenigstens besonders auffällige Zunahmen von Todesraten erfaßt werden könnten und wie die Datenbasis erhalten werden könnte, mit der in einigen Jahren dann endlich ein Abgleich mit einem Krebsregister vorgenommen werden könnte. Die Leiterin des damaligen Expertengremiums wurde erneut befragt und erklärte die Absicht des BIPS für sinnvoll. So beschloss dann auch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt, das städtische Gesundheitsamt zu beauftragen, dem BIPS den entsprechenden Auftrag zu erteilen. Man muss dazu noch erklären, es gehört zur ursprünglichen Abmachung, dass die Hoechst AG das Expositionsregister bezahlt hat und die abschließende Untersuchung dann von der Stadt Frankfurt bezahlt werden solle. Daher also der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung und deren Auftrag an das Gesundheitsamt. Das Gesundheitsamt nahm dann auch Verhandlungen mit dem BIPS auf.Nachdem es eine Zeit lang so ausgesehen hatte, als würde nun alles gut, erfuhren wir dann aber im Sommer 2005, dass es zwischen Gesundheitsamt und BIPS zu einem Streit gekommen war und die Verhandlungen abgebrochen worden waren. Streitpunkt: Das Gesundheitsamt fordert - angeblich aus datenschutzrechtlichen Gründen - dass nach Abschluss der Untersuchung alle Daten vernichtet werden sollten. Dies würde aber bedeuten, dass weitere Untersuchungen für alle Zeiten unmöglich geworden wären. Außerdem wäre eine Überprüfbarkeit der Ergebnisse durch andere Institute unmöglich gemacht worden. Ergebnisse, die nur einen Moment lang vorliegen und dann vernichtet werden, sind aber so beständig wie Schall und Rauch - wissenschaftlich nur mit äußerst eingeschränktem Wert zu genießen! Wir Bürgerinitiativen, außer uns Höchster Schnüffler un´ Maagucker auch die Schwanheimer Mütterinitiativen und der BUND Schwanheim, haben uns vehement dagegen ausgesprochen, dass die Daten direkt nach Abschluss der Untersuchung vernichtet werden. Wir wollen die Chance auf weitere Untersuchungen und eine Überprüfbarkeit der Ergebnisse erhalten, zumal ja der eigentliche Abgleich mit einem Krebsregister noch gar nicht erfolgen kann. Gesundheitsamt immer schon verharmlosendWer die Vorgänge nicht über die Jahre hinweg verfolgt hat, stellt sich jetzt sicher die Frage, wieso fährt das Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt einen solchen Kurs? Dazu muss man leider sagen, dass sich das Gesundheitsamt in der damaligen Auseinandersetzung von Anfang an auf die Seite der Hoechst AG gestellt hat und mit allen Mitteln versucht hat, jede weitere Untersuchung zu verhindern. Auch gegen das BIPS als Untersuchungsinstitut kämpfte das Gesundheitsamt von Anfang an, mußte sich dann jedoch nach der Entscheidung des Expertenhearings geschlagen geben. In der Hektik der ersten Tage nach dem Störfall waren wichtige Entscheidungen schnell zu treffen. Der Vorschlag stand im Raum, die Menschen aus den betroffenen Gebieten zu evakuieren, um sie nicht der Kontamination mit den Chemikalien auszusetzen. Es war das Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt, welches damals entschied, nicht zu evakuieren. Es war das Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt, welches damals auch gegen den Vorschlag, wenigstens die Kinder aus der Gefahrenzone zu bringen, eintrat. So kam es zu der grotesken Situation, dass Arbeiter in voller Sicherheitsmontur, in weißen Schutzanzügen mit Gasmaske, die Straßen reinigten, während einen Meter weiter Mütter in Alltagskleidung ihre Kinderwagen an ihnen vorbeischoben. Die gleiche Führungskraft im Gesundheitsamt, die damals diese Entscheidungen maßgeblich herbeiführte, ist auch heute noch diejenige, die federführend die Frage der Gesundheitsuntersuchungen betreut. Wenn sich irgendwann durch solche Untersuchungen herausstellen sollte, dass die Krebsrate in Schwanheim durch den Störfall doch auffällig erhöht sein sollte, wäre es im Nachhinein betrachtet natürlich besser gewesen, man hätte die Menschen damals aus dem gefährlichen Gebiet gebracht.Der Trick mit dem DatenschutzWenn man sich anschaut, mit welchem Trick nun also Gesundheitsamt und Dezernat hier vorgegangen sind, wird schnell deutlich, dass hier Datenschutz nur vorgeschoben wird, um echte Untersuchungen zu verhindern:Der Auftrag der Stadtverordnetenversammlung an das Gesundheitsamt, das BIPS mit den Untersuchungen zu beauftragen, enthielt einen verhängnisvollen Satz: "Darüber hinausgehende Studien, Untersuchungen oder Maßnahmen werden nicht beauftragt." Dieser Satz wird jetzt zum Anlass genommen, die Vernichtung der Daten nach der Untersuchung zu fordern. Es sei nicht zulässig, personenbezogene Daten aufzubewahren, wenn damit später keine weiteren Untersuchungen geplant seien. Diese Argumentation läßt sich aber leicht widerlegen:
Alibi-UntersuchungDas Stadtgesundheitsamt plant, ein Institut der eigenen Wahl mit der Durchführung von Untersuchungen zu beauftragen. Dieses Institut habe die Vernichtung der Daten nach der Untersuchung zugesichert und sei außerdem damit einverstanden, dass alle Veröffentlichungsrechte allein beim Stadtgesundheitsamt liegen. Für das Stadtgesundheitsamt also ideale Bedingungen. Außerdem soll das Institut eine einfache Recherche ohne die Verwendung des Expositionsregisters durchführen. Nach Rücksprache mit Wissenschaftlern können wir sicher sagen: so kann gar nichts Verdächtiges herauskommen! Wenn man - entgegen allen ursprünglichen Planungen! - das Expositionsregister nicht weiter verwendet, kommt eine Unschärfe in die Untersuchungen, die nur durch extrem hohe Fallzahlen an Krankheiten auszugleichen wäre. Es spielt eine Rolle, ob eine Person damals in Schwanheim war und mit den Chemikalien in Kontakt gekommen ist, oder ob jemand zwar in Schwanheim gemeldet war, aber kurz nach dem Störfall zu Verwandten geflüchtet ist, wie dies viele Menschen getan haben! Wenn man jetzt nur allein anhand des Melderegisters untersucht, gehen viele wichtige Informationen verloren! Gerade auch die Information, ob jemand damals schon Krankheitssymptome hatte, ob jemand bei Reinigungsarbeiten Chemikalien an den Händen hatte, ob jemand über Gestank in der Wohnung klagte, alle diese damals mühsam erhobenen Informationen sollen nun absichtlich ignoriert werden!Gesprächskreis der Nachbarn des Industrieparks Höchst am 15.2.2007Wir sind sehr froh, dass sich die neue Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann der Diskussion im Gesprächskreis gestellt hat. Leider können wir aber mit dem, was die Dezernentin vortrug, nicht zufrieden sein. Es bleibt dabei, die Stadt plant, die Untersuchungen ohne Verwendung des Expositionsregisters in Auftrag zu geben. Damit würde das damals der Bevölkerung gegebene Versprechen gebrochen werden. Entscheidend ist jetzt die Sitzung des Gesundheitsausschusses der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt am 22.2.2007, in der über die Pläne der Gesundheitsdezernentin abgestimmt werden wird. Der Gesprächskreis hat hierzu der Stadtverordnetenversammlung einen Beschluss übermittelt, indem dringend darum gebeten wird, die Vorlage des Magistrats abzulehnen und die Untersuchungen neu zu beantragen, und zwar so, dass die Daten nicht vernichtet werden müssen, das Expositionsregister verwendet wird und das BIPS beauftragt werden kann. Über die Gesprächskreissitzung gibt es auführliche Zeitungsberichte:Artikel in der FR über die Gesprächskreissitzung Artikel im HK über die Gesprächskreissitzung Kommentar im HK Mitglieder der Höchster Schnüffler un´ Maagucker, des Kreises Schwanheimer Mütter und der Goldsteiner Umweltschützer werden an der entscheidenden Sitzung des Gesundheitsausschusses teilnehmen. Angesichts der Kraft unserer Argumente und des überzeugenden Verlaufs der Gesprächskreissitzungen, wie sie auch in den o.a. Presseartikeln deutlich wird, sind wir optimistisch, die Stadtverordneten überzeugen zu können, dass ein Verzicht auf die Daten des Expositionsregisters wissenschaftlich unsinnig, gegenüber der Bevölkerung unehrlich und rechtlich unhaltbar sein würde. Wir werden weiter berichten! Zur Seite über die geplanten Müll- bzw. Klärschlammverbrennungsanlagen im Industriepark Höchst | |||
V.i.S.d.P. und Kontakt: Thomas Schlimme August-Bebel-Str.2a 65933 Frankfurt mail: Thomschl@arcor.de |